Bei Attesten zur Befreiung von der Maskenpflicht müssen Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben

Bürgerinnen und Bürger, die aus gesundheitlichen Gründen keinen Mund-Nasen-Schutz tragen können, müssen immer öfter detaillierte ärztliche Bescheinigungen vorlegen, die sensible Gesundheitsdaten beinhalten. Datenschutzrechtlich ist dies aus Sicht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI) Rheinland-Pfalz zufolge sehr kritisch zu bewerten.

Die Frage nach den Anforderungen zur Befreiung von der Maskenpflicht betrifft neben Schulen auch Restaurants, den öffentlichen Nahverkehr, Arbeitsplätze und weitere Bereiche. An den LfDI haben sich bereits Dutzende Eltern von Schülerinnen und Schülern gewandt, die beklagen, dass die bisher üblichen Atteste in den Schulen nicht mehr akzeptiert würden. Der LfDI hat in diesem Zusammenhang aufgrund der rechtswidrigen Praxis gegen die rheinland-pfälzische Schulaufsichtsbehörde, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) mit Sitz in Trier, eine „Warnung“ ausgesprochen.

Der Landesdatenschutzbeauftragte Professor Dieter Kugelmann sagt:“Die ADD hat die Schulen ermuntert, für die Befreiung von der Maskenpflicht medizinische Angaben wie Diagnosen anzufordern. Aus unserer Sicht ist dieses Vorgehen datenschutzrechtlich äußerst kritisch zu bewerten, da es an einer tragfähigen Rechtsgrundlage für das Einfordern solcher qualifizierten Atteste mangelt. Nach der Corona-Bekämpfungsverordnung kann lediglich die Vorlage einer bloßen ärztlichen Bescheinigung verlangt werden, ohne dass diese nähere Begründungen wie z.B. Diagnosen enthalten muss. Es kann daher auch offen bleiben, ob die Anforderung medizinischer Inhalte zur Befreiung von der Maskenpflicht überhaupt in einer Landesverordnung geregelt werden dürfte. Derzeit ist die Befugnis zur Anforderung qualifizierter Atteste, die Gesundheitsangaben enthalten, rechtlich nicht festgelegt. Die Datenschutz-Grundverordnung stellt Gesundheitsdaten unter einen besonderen Schutz; sie sieht ein grundsätzliches Verarbeitungsverbot von Gesundheitsdaten vor, welches nur bei Vorliegen bestimmter Ausnahmetatbestände durchbrochen werden darf. Unserer Auffassung zufolge ist derzeit keine Rechtsgrundlage gegeben, auf deren Basis Schulen und Schulaufsichtsbehörden umfangreiche medizinische Informationen im Zusammenhang mit der Befreiung von der Maskenpflicht anfordern könnten.“

Kugelmann betont:“Auch in Pandemie-Zeiten dürfen Datenschutzrechte nicht ausgehöhlt werden. Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten ist ein sensibler Informationsvorgang. Die Übermittlung und Verarbeitung von Daten, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, stellen einen gravierenden Grundrechtseingriff dar, der einer klaren rechtlichen Legitimation bedarf. Es müsste in einem transparenten Gesetzgebungsverfahren, bei dem die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit des Eingriffs erörtert werden können, eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Darin können auch Vorkehrungen gegen unzulässige Umgehungen der Maskenpflicht getroffen werden.“

Ein allgemeiner Verdacht auf ärztliche Gefälligkeitsbescheinigungen ist datenschutzrechtlich nicht hinnehmbar, da ein grundsätzliches Infragestellen der Aussagekraft allgemeiner ärztlicher Bescheinigungen in der Rechtsordnung keine Grundlage findet und mit den berufsrechtlichen Vorgaben auch nicht vereinbar ist. Schließlich ist es datenschutzrechtlich ohne weitere gesetzliche Regelungen nicht akzeptabel, dass Gesundheitsangaben der Betroffenen auf diesem Wege zahlreichen Personen und Stellen, die keiner besonderen Geheimhaltungspflicht unterliegen, offenbart werden müssen.

Quelle: Pressemitteilung des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz vom 06.11.2020]