Zum Thema „Internet am Arbeitsplatz“ hat „IGM-direkt„, der Infodienst der IG Metall ein Interview mit Rechtsanwalt Strunk geführt:
Im Gespräch
Jan A. Strunk
Rechtsanwalt in Kiel, Betriebsratsberater
?direkt: Was ist besser bei Internet-Nutzung: Verbot oder Grauzone?
Strunk: Grundsätzlich ist es besser für die Arbeitnehmer, wenn sie sich an klare Regeln halten können. Dann weiß man, welche Rechte man hat. Betriebsvereinbarungen mit möglichst handfesten Vorgaben sind verlässlich.
?direkt: Wo ist die Grenze zwischen „dienstlich“ und „privat“?
Strunk: Das ist nicht so leicht pauschal festzulegen. Man kann sich an die Formel „vorrangig dienstlich“ halten. Nicht jede private e-Mail ist rein privat. Bei Dienst-Mails gilt das jedoch auch: Wer im Internet einen Weiterbildungskurs sucht, surft privat und dienstlich. Wer allerdings gleich “das gesamte Netz durchforstet“, bekommt ein Problem. Das Internet ist nur Mittel zum Zweck.
?direkt: Wann ist die private Nutzung „übermäßig“?
Strunk: Auch das ist schwer grundsätzlich zu sagen. Eine allgemeingültige Zeitgrenze ist kaum zu definieren. Eine halbe oder drei viertel Stunde ist schon recht viel. Es hängt auch davon ab, ob jemand das Internet ohnehin ständig am Arbeitsplatz nutzt und wie die technischen Voraussetzungen im Betrieb sind. Die meisten Beschäftigten wissen aber ganz gut, wann sie übertreiben.
?direkt: In welchen Fällen darf der Arbeitgeber überwachen?:
Strunk: Bei Internet-Verbot ist eine systematische Überwachung grundsätzlich zulässig. Auch wenn lnternetnutzung zugelassen ist, sind gezielte personalisierte Kontrollen nach Ankündigung erlaubt – aber nur, wenn sich ein konkreter Missbrauchsverdacht bereits bestätigt hat.
?direkt: Wie können Betriebsräte Beschäftigten helfen?
Strunk: Bei Kündigungen – wie in anderen Fällen – Formalien genau beachten. Ist der Datenschutz eingehalten worden? Häufig stimmen Betriebsräte einem Kündigungswunsch rasch zu, weil der Sachverhalt scheinbar gegen den Beschäftigten spricht. Da müssen die Betriebsräte genau hinsehen.
Beitrag zum Thema:
INTERNET
Wie grau ist die Grauzone?
Abmahnung und Kündigung wegen unerlaubter oder zu häufiger privater Nutzung des Internets – damit müssen sich Gerichte immer häufiger befassen. Sie bewegen sich dabei auf unsicherem Gelände. Denn sicher ist die Rechtslage nur in einem Fall:
Wenn das private Surfen oder Mailen ausdrücklich verboten ist. Dann liegt ein arbeitsrechtlicher Verstoß vor, gegen den der Arbeitgeber vorgehen kann. Ob die Sanktionen – Abmahnung, befristete oder unbefristete Kündigung – berechtigt sind, hängt von den Umständen ab. Wie viel Arbeitszeit hat der Beschäftigte durch Surfen versäumt, und welche Kosten entstanden dem Arbeitgeber dadurch? Wurde das Komrnunikationssystem der Firma gefährdet – etwa durch Viren? Oder der gute Ruf geschädigt, weil ein Mitarbeiter sich auf pornografischen Seiten getummelt hat? Solche Fragen werden arbeitsgerichtlich zu berücksichtigen sein.
Gibt es aber keine klaren Regeln, hat die private Nutzung des Internets im Betrieb ihre Tücken. In den meisten Fällen zeigen sich Arbeitgeber großzügig. Kurz mal „googeln“, ob der Lieblings-Italiener heute geöffnet hat: Okay. Auch ein Blick auf das Wetter am Urlaubsort ist sicher zulässig. Aber die gesamten Ferien vom Büro aus zu planen, dürfte den meisten Arbeitgebern nicht gefallen.
Allerdings kommt es seltener wegen der Länge der Internet-Nutzung zu Konflikten als wegen der Inhalte der aufgerufenen Internet-Seiten. Rechtswidrige oder strafbare Bilder und Texte anzusehen oder herunterzuladen, kann zur fristlosen Kündigung führen.
Weit verbreitet ist die stillschweigende private Nutzung. Sie wird zur „betrieblichen Übung“, wenn das Surfen und Mailen am Arbeitsplatz schon lange Zeit erlaubt ist. Arbeitnehmer verletzen ihre Pflichten damit nicht. Zur Abmahnung oder Kündigung kann es dann nur in Ausnahmefällen kommen. Wenn eine „betriebliche Übung“ vorliegt, darf ein misstrauischer Arbeitgeber den Mailverkehr der Beschäftigten nicht systematisch überwachen. Beweismittel, die auf unzulässige Weise ermittelt wurden, dürfen nicht gegen die Arbeitnehmer verwertet werden.
Mehr Infos zum Thema privates Mailen und Surfen in „Computer Fachwissen“, Ausgabe 9/2005 www.aib-verlag.de oder bei www.kielanwalt.de.
[IGM-Aktuell – Ausgabe 18/2005, erschienen am 12.10.2005]