„Flucht in die Rechtswahlklausel“ kein gangbarer Weg für Arbeitgeber

In der Praxis stellt sich häufig die Frage, inwieweit eine Klausel im Vertrag tatsächlich bindend ist. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 23. Januar 2024 (Az.: 9 AZR 115/23) beleuchtet aus Anlaß einer Rückzahlungsklausel die Einschränkungen, unter denen eine grundsätzlich zulässige Rechtswahlbestimmung im Arbeitsvertrag Wirksamkeit entfaltet.

Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, arbeitete als Flugzeugkapitän bei einer irischen Fluggesellschaft, war jedoch hauptsächlich am Flughafen Berlin-Schönefeld stationiert. Sein Arbeitsvertrag enthielt eine Rückzahlungsklausel für Schulungskosten in Höhe von 25.000 Euro, die über fünf Jahre gestaffelt zurückgezahlt werden sollten. Die Klausel sah vor, dass keine Rückerstattungspflicht bei Kündigungen aufgrund betriebsbedingter Gründe oder anderslautender schriftlicher Vereinbarungen der Parteien bestehe. Darüber hinaus enthielt der Vertrag eine Rechtswahl- und Gerichtsstandsklausel zugunsten irischen Rechts und irischer Gerichtsbarkeit.

Ein Jahr nach erfolgreichem Abschluss des Kurses kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis. Die Fluggesellschaft verrechnete daraufhin die Schulungskosten mit dem Gehalt des Klägers, wogegen dieser sich gerichtlich wehrte. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben dem Kläger Recht.

Auch das BAG entschied nun zugunsten des Klägers und erklärte die Rückzahlungsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB für unwirksam. Entscheidend sei, dass deutsches Recht trotz der Rechtswahlklausel Anwendung finde, da die Klausel den Kläger unangemessen benachteilige.

Kernaussagen:

  1. AGB-Kontrolle: Vorformulierte Arbeitsverträge unterliegen der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Diese Regelungen sind zwingende Bestimmungen und nicht durch eine Rechtswahlklausel abzubedingen.
  2. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO: Selbst bei einer gültigen Rechtswahlklausel sind die zwingenden Rechtsvorschriften des ansonsten anwendbaren Rechts zu beachten. Dies dient dem Schutz des Arbeitnehmers, der nicht durch eine Rechtswahl benachteiligt werden darf.

Das BAG führt aus, dass § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Rückzahlungsklausel unwirksam mache, da sie aufgrund mangelnder Differenzierung nach dem Ausscheidensgrund den Kläger entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Insbesondere sei die Situation nicht berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer aus arbeitgeberseitigen Gründen kündige.

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitgeber:

  • Umfassende AGB-Kontrolle: Auch bei der Wahl eines ausländischen Rechtsstatuts müssen alle Klauseln eines Arbeitsvertrags den deutschen AGB-Vorschriften entsprechen. Dies gilt insbesondere für Rückzahlungsklauseln und ähnliche Regelungen.
  • Schulungskostenklauseln: Rückzahlungsklauseln für Schulungskosten müssen klar differenzieren und dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Eine Klausel, die keine Ausnahme für arbeitgeberseitige Kündigungen vorsieht, kann unwirksam sein.
  • Beratung und Aufklärung: Arbeitgeber sollten Arbeitnehmer umfassend über die Rechtswahlklausel und deren Grenzen aufklären. Es muss deutlich gemacht werden, dass neben dem gewählten Recht auch zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts gelten.