[Beitrag aus dem sh:z Tagesthema „Raubkopierer im Visier der Fahnder“ – erschienen am 24.04.2004 in den Zeitungen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags]
Kiel (hsg) – Seit September 2003 gilt in Deutschland ein verschärftes Urheberrecht, mit dem vor allem die Internet-Tauschbörsen und der Handel mit Raubkopien unterbunden werden sollte. Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) gestattet in § 53 dem Nutzer eines beliebigen Werkes, sich eine private Kopie zuzulegen. Die Erlaubnis zum Vervielfältigen für den privaten Gebrauch erstreckt sich auf „beliebige Träger“, also auch auf digitale Medienformate. Das heißt, von einer gekauften Musik-CD darf der Besitzer für sich, aber auch für ihm nahe stehende Personen einzelne Kopien herstellen, ohne rechtswidrig zu handeln. Allerdings ist das Erstellen einer Kopie aus einer „offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlage“ verboten.
„Die hauptsächliche Zielrichtung neben den gewerblichen Händlern von illegalen Kopien ist klar: Die Internet-Tauschbörsen wie Kazaa, eDonkey und Konsorten sowie die mittlerweile zahllosen „LAN-Parties“, auf denen munter getauscht und kopiert wird“, erklärt der Kieler Rechtsanwalt und Experte für Internet-Recht Jan Alexander Strunk diese nun ausdrücklich in das Gesetz aufgenommene Einschränkung, die dem Grundgedanken nach jedoch auch schon vorher galt.
Der Nutzer einer Internet-Tauschbörse muss sich in der Regel darüber im Klaren sein, dass eine von dort heruntergeladene MP3-Datei oder ein Film aus einer rechtswidrig hergestellten Vorlage stammt. Denn die dort zum Tausch angebotenen Dateien sind nicht zum privaten Gebrauch kopiert worden, sondern werden zur Nutzung für eine beliebige Anzahl – in der Regel unbekannter – Dritter bereitgestellt – und damit bereits unter Verstoß gegen § 53 UrhG angefertigt.
Allerdings sei die jetzt vorgenommene gesetzliche Formulierung missglückt und als Kriterium ungeeignet, meint Strunk: „Die Rechtmäßigkeit der Herstellung einer Vorlage lässt sich nicht immer so eindeutig beurteilen. Dateien bieten in der Regel keine Anhaltspunkte für ihre Herkunft“, kritisiert der Rechtsanwalt.
Ein weiteres, höchst praktisches Problem stellt sich für den Verbraucher in diesem Zusammenhang nämlich auch durch den neu in das UrhG aufgenommenen Schutz von Kopierschutzmechanismen, mit denen mittlerweile viele Musik-CDs ausgeliefert werden:
§ 95 UrhG verbietet jetzt ausdrücklich das Umgehen eines technischen Kopierschutzes. Außerdem ist auch das Herstellen, Verbreiten und sogar das Bewerben von „Vorrichtungen“ untersagt, mit dem der technische Kopierschutz umgangen werden kann.
„Im Klartext sind damit Kopier-Programme wie etwa „Clone CD“ oder „MovieJack“ gemeint“, erläutert Strunk. Weil sich damit kopiergeschützte CDs und DVDs vervielfältigen lassen, ist das Verwenden, Vertreiben und Besitzen „zu gewerblichen Zwecken“ solcher Programme nicht mehr erlaubt.
Für Rechtsanwalt Strunk stellt die gegenwärtige Rechtslage einen schleunigst abzustellenden Zustand dar: Auf der einen Seite gebe es die gesetzliche Erlaubnis, eine Privatkopie anzufertigen, auf der anderen Seite könne der einzelne Verbraucher dieses Recht bei einem bestehenden Kopierschutz tatsächlich nicht verwirklichen.
„Wenn der Verbraucher ein gesetzlich verankertes Recht faktisch nicht durchsetzen kann, ist es nichts wert. Ob man dem Verbraucher eine Privatkopie zugestehen will, wird durch das UrhG jetzt in das Belieben der Medienkonzerne gestellt. Damit macht man den Bock zum Gärtner“, kritisiert Strunk den Gesetzgeber.