Die Regionalausgabe Hamburg/Schleswig-Holstein des TV-Senders Sat.1 hat das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs zur Auskunftsverpflichtung von Providern (BGH, 19.04.2012 – I ZB 80/11) heute zum Anlaß genommen, sich mit dem Thema Filesharing zu befassen.
In dem Magazinbeitrag unter dem (einigermaßen irreführenden) Arbeitstitel “Schutz vor illegalen Downloadportalen” komme u.a. auch ich zu Wort.
Die Sendung vom 29.08.2012 ist in der Mediathek des Sat.1 Regionalfernsehens HH/SH abrufbar (Beitrag Filesharing ab Min. 10:24).
Da die tatsächliche Rechtslage und die Interview-Äußerungen dazu in derartigen Beiträgen bzw. deren Ankündigungstexten naturgemäß und formatbedingt meist nur so rudimentär dargestellt werden können, dass die wesentlichen Botschaften oft falsch zusammengefasst werden, nutze ich den Anlaß, um an dieser Stelle einige kurze Erläuterungen zum Thema nachzuliefern:
1.) Der BGH hat am 19. April 2012 natürlich nicht erstmals entschieden, daß nun plötzlich sogar ältere Werke urheberrechtlich geschützt sind. Das war vorher auch schon so – und steht praktischerweise im Gesetz, siehe § 64 UrhG. Die Entscheidung hat aber deswegen weitreichende Auswirkungen auf die Verfolgbarkeit von Urheberrechtsverstößen, weil die Anforderungen, unter denen die Serviceprovider zur Auskunftserteilung über ihre Kunden verpflichtet werden können, nun faktisch stark abgesenkt wurden:
Dadurch, dass lt. BGH für einen entsprechenden Auskunftsanspruch nicht Voraussetzung sein soll, dass eine Urheberrechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß vorliegt (was bislang allerdings nicht nur absolut vorherrschende Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung war, sondern vor allem auch der Gesetzesbegründung zu der hier maßgeblichen Norm, dem § 101 Abs. 2 UrhG entspricht), ist es nun möglich, alle (behaupteten) Urheberrechtsverletzungen zum Anlaß entsprechender Auskunftsanträge zu machen.
Denn weil bisher galt, dass ein gewerbliches Ausmaß i.d.R. nur anzunehmen ist, wenn es entweder um eine einigermassen hohe Anzahl an Werken geht oder aber es sich um einen Verstoß handelt, der in die relevante Verkaufsphase eines neuen Werkes fiel (Zeitgrenze dabei etwa bei sechs Monaten seit Erscheinen), könnten auf der Grundlage dieser Entscheidung nun auch die rechtswidrigen Veröffentlichungen von Werken verfolgt werden, deren relevante Verkaufsphase längst vorbei ist: Der Provider kann – so der BGH – auch in diesen Fällen zur Auskunftserteilung über den Anschlussinhaber verpflichtet werden.
2.) Das Mitschneiden von regulären Internet-Radiosendungen (i.e.: Das Herunterladen und Speichern von einzelnen Werken) für ausschließlich private Zwecke ist kein Urheberrechtsverstoß. Das ergibt sich aus § 53 Abs. 1 UrhG. Anders lautende Botschaften – selbst wenn sie von Verbraucherschutzzentralen stammen sollten – sind unrichtig. Nur herunterladen ist in diesen Fällen normalerweise immer legal! Da gilt grundsätzlich nichts anderes als früher beim analogen Radiomitschnitt mit dem Kassettenrecorder…
3.) Nicht alles, was nichts kostet, ist automatisch illegal. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Urheberrechtsinhabern, die in einer kostenfreien Weitergabe ihrer Werke eine Chance bzw. ein PR-Instrument sehen – oder u.U. auch eine kulturpolitische Aussage ;-) Zudem gibt es auch freie Lizenzmodelle, die das Tauschen und Verbreiten gerade fördern wollen. Es kommt also stets darauf an, ob der Betreffende in der konkreten Situation objektiv davon ausgehen mußte, dass er eine “offensichtlich rechtswidrige” Quelle nutzt. Und da Filesharing als solches nicht notwendigerweise kriminell ist, reicht es auch nicht, ausschließlich auf das “Portal” abzustellen. Man muß sich schon die Mühe machen, das jeweilige Werk und die Umstände anzusehen, unter denen es angeboten wird. Natürlich weiss jeder, dass ein brandneues Album eines bekannten Künstlers normalerweise Geld kostet. Dementsprechend muss einem dann regelmäßig auch klar sein, dass ein kostenloses Downloadangebot aus einer privaten Quelle rechtswidrig sein dürfte. Das Tauschen von Musikdateien ist aber nicht schon als solches grundsätzlich rechtswidrig oder gar strafbar! Anders lautende Botschaften – selbst wenn sie von Verbraucherschutzzentralen stammen sollten – sind unrichtig.
4.) Es heißt richtigerweise natürlich: “Fachanwalt für Informationstechnologierecht“… Ich bin ja auch kein Fachanwalt für Arbeit… ;-)