Software-Deinstallation als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung?

Probleme bei der Überlassung von IKT-Geräten an Mitarbeiter ergeben sich häufig im Zusammenhang mit dem Umfang der Rechte und Pflichten bei der Nutzung, mitunter auch bei Fragen des Schadensersatzes. So etwa, wenn es darum geht, wer für Beschädigungen, Verlust oder übermäßige Kosten aufzukommen hat.

Dass jedoch ein Arbeitnehmer das Betriebsmittel unstreitig vollständig, rechtzeitig und unbeschädigt zurückgibt und der Arbeitgeber ihm dennoch einen Pflichtverstoß vorwirft, gehört sicherlich zu den eher seltenen Sachverhalten- vor allem dann, wenn der Arbeitgeber dann vor Gericht auch noch Recht bekommt…

Mit einem solchen Fall hat sich Anfang 2007 in einem in mehrfacher Hinsicht rechtlich fragwürdig begründeten Urteil das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen auseinandergesetzt [LAG Sachsen, Urteil v. 17.01.2007 – 2 Sa 808/05].

Rechtsanwalt Strunk hat sich in einem Beitrag für die Februar-Ausgabe 2009 der Fachzeitschrift “Computer und Arbeit” (CuA) etwas eingehender mit der Entscheidung befaßt:

In einer Berufungsentscheidung bestätigten die LAG-Richter ein Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau [ArbG Zwickau, Urteil v. 11.05.2005 – 9 [4] Ca 830/04] und sahen die (ordentliche) Kündigung eines Mitarbeiters als zulässig an, der vor der Rückgabe eines ihm von seiner Arbeitgeberin zu dienstlichen Zwecken überlassenen Notebooks eine vom ihm privat angeschaffte und dort installierte Software gelöscht hatte.

Die Chemnitzer Richter sahen hierin eine gravierende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht. Die Entfernung der Software des Arbeitnehmers auf dem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Notebook rechtfertige daher die verhaltensbedingte Kündigung.

Der dem Kündigungsschutzprozeß vorangegangene Sachverhalt hatte sich bereits Ende 2003 ereignet:

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Mitarbeiter auf Anforderung der Arbeitgeberin sein Dienstnotebook zurückgegeben. Zuvor hatte er jedoch eine von ihm privat angeschaffte und mit Billigung der Arbeitgeberin auf dem Rechner installierte und in der Vergangenheit regelmäßig für dienstliche Zwecke eingesetzte Version des Office-Programms MS Outlook wieder deinstalliert. Der Mitarbeiter war im Besitz von rechtmäßig erworbenen Originaldisketten, die Outlook-Version war auch auf ihn beim Hersteller Microsoft registriert.

Die von der Software im Laufe des Betriebs im programmeigenen Format (.pst) erzeugten Datendateien – namentlich die E-Mail-, Adress-, Termin-und Aufgabenverwaltung – verblieben nach der Deinstallation vollständig auf der Festplatte des Notebooks.

Eigentlich alles in Ordnung, sollte man meinen: Das Gerät ist ordnungsgemäß zurückgegeben worden, zusammen mit den vollständigen Arbeitsergebnissen des Mitarbeiters.

Die Arbeitgeberin – übrigens selbst ein Software-Unternehmen – war nun allerdings nicht mehr ohne Weiteres dazu in der Lage, die entsprechenden Informationen abzurufen bzw. einzusehen, da die von MS Outlook erzeugten Datendateien sich sinnvoll nur mit einem Programm öffnen lassen, das in der Lage ist, das pst-Format zu verarbeiten – in erster Linie also MS Outlook, alternativ dazu existieren allerdings auch diverse alternative „Reader“, mit denen sich die gängigsten MS Office-Formate anzeigen lassen. Sie hätte sich demnach nun selbst um die Aufspielen eines geeigneten Readers bzw. einer eigenen Version von MS Outlook kümmern müssen.

Das allerdings wollten die sächsischen Arbeitsrichter der Arbeitgeberin aber keineswegs zumuten. Vielmehr sei der Mitarbeiter rechtlich verpflichtet gewesen, seine Version auf dem Notebook zu belassen und sie zusammen mit dem Gerät an die Arbeitgeberin herauszugeben. Durch die vorgenommene Entfernung des Programms habe er willentlich eine Störung bzw. Verhinderung der Nutzung der elektronisch gespeicherten Computerdateien verursacht, die (unstreitig) der Arbeitgeberin zustanden. Zur Deinstallation sei der Mitarbeiter weder berechtigt, noch darauf angewiesen gewesen, um die Software weiternutzen zu können.

Wie konnte das Gericht zu einer solchen Bewertung gelangen?

Das LAG hat seine Auffassung zum einen auf die Feststellung gestützt, dass es durch das Aufspielen der Software zu einem gesetzlichen Eigentumsübergang gekommen sei. Zudem habe ein gesetzlicher Herausgabeanspruch nach dem Auftragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestanden. Schließlich habe der Mitarbeiter auch seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB verletzt.

Keiner der genannten Aspekte ist durch die Chemnitzer Richter rechtlich zutreffend bewertet worden; in der Konsequenz enthält das Urteil, wie wir noch sehen werden, sogar eine recht fragwürdige und hinsichtlich einer zivil- und strafrechtlichen Haftung einigermaßen riskante Botschaft. Rechtskräftig ist das Urteil dennoch. Nach zwei verlorenen Instanzen hat den Kläger dann anscheinend wohl doch der Mut zum Weitermachen verlassen…

Schauen wir uns die Entscheidung einmal genauer an:

Das Gericht hat gemeint, dass das Aufspielen der Software einen Verarbeitungsvorgang i.S.d. § 950 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt. Nach dieser Bestimmung erwirbt derjenige, der „durch Verarbeitung eine neue bewegliche Sache herstellt“ das Eigentum an der neuen Sache, mit der Folge, dass die bisherigen Rechte an der „verarbeiteten“ Sache erlöschen.

Aufgrund des bestehenden Arbeitsverhältnisses sei die Arbeitgeberin hinsichtlich der Arbeitsergebnisse des Mitarbeiters als „Herstellerin“ i.S.d. Gesetzes anzusehen. Dementsprechend sei der Arbeitnehmer mangels eigener Rechte verpflichtet gewesen, auf entsprechende Anforderung das Notebook samt Programm – nämlich das gesamte „neue“ Eigentum der Arbeitgeberin – herauszugeben.

Durch das Installieren von MS Outlook auf das im Eigentum der Arbeitgeberin stehende Laptop soll also nach der Vorstellung des LAG diese auch Eigentümerin der auf die Festplatte aufgespielten Software geworden sein.

Diese Rechtsauffassung ist in mehrfacher Hinsicht problematisch:

Zum einen ist schon zweifelhaft, ob hier überhaupt zwei Sachen im rechtlichen Sinne verarbeitet wurden. Zwar ist unter Juristen immer noch recht umstritten, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Software als „Sache“ i.S.d. Gesetzes anzusehen ist.

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich hierzu bislang nur insoweit festgelegt, dass sie jedenfalls die auf einem Datenträger verkörperte Standardsoftware als bewegliche Sache anerkennt [1]. Im Fall unseres gekündigten Mitarbeiters fehlt es der installierten Version aber gerade an einer eigenständigen Verkörperung.

Und das fragliche Original-Softwareexemplar befindet sich nach der Installation tatsächlich immer noch physikalisch unverändert auf den Disketten. Vor diesem Hintergrund lässt sich kaum ernsthaft behaupten, dass eine Verarbeitung i.S.d. Gesetzes vorliegt. Auch wird die Festplatte des Laptops durch eine Installation nicht dauerhaft „umgearbeitet“. Dieser Zustand läßt sich jederzeit ohne größeren Aufwand wieder rückgängig machen – sonst hätte es den Rechtsstreit erst gar nicht gegeben.

Zudem liegt nach allgemeiner Auffassung eine im Rechtssinne neue Sache nur dann vor, wenn das Verarbeitungsergebnis einen anderen Verwendungszweck als die verarbeiteten Sachen hat. Das aber ist in Bezug auf Laptop und Software offensichtlich nicht der Fall. Deshalb wird man ebenso wenig annehmen dürfen, dass durch die Installation tatsächlich eine neue Sache entstanden ist.

Und schließlich fehlt es auch an einer weiteren wichtigen Voraussetzung, die das Gesetz im § 950 BGB für den Eigentumsübergang aufstellt:

Der Gesamtwert der Sachen, die verarbeitet werden, darf nicht erheblich höher sein, als der Wert der Verarbeitung selbst. Konkret stehen sich hier gegenüber der Wert des Laptops und des MS Outlook-Exemplars einerseits und andererseits der Wert des Arbeitsaufwandes für die Installation gegenüber. Es wird ohne Weiteres deutlich, dass hier ein erhebliches Ungleichgewicht besteht und der Wert der Installation deutlich geringfügiger ist.

Die Annahme eines gesetzlichen Eigentumsübergangs durch die Arbeitsrichter steht also auch in dieser Hinsicht auf tönernen Füßen.

Nun hat das LAG eine Pflicht zur Herausgabe der Softwareinstallation jedoch zusätzlich noch unter dem Aspekt des sog. Auftragsrechts gesehen (§ 667 BGB). Aber auch das ist nicht überzeugend:

Ein Arbeitnehmer ist dazu verpflichtet, nach Beendigung des Auftrags bzw. Arbeitsverhältnisses alle ihm überlassenen Arbeitsmittel herauszugeben sowie alles, was er im Zuge seiner Tätigkeit erlangt hat.
Die von ihm selbst angeschaffte und aufgespielte Programmkopie war dem Mitarbeiter aber überhaupt nicht im Rahmen seiner Tätigkeit durch die Arbeitgeberin überlassen worden, so dass es bereits an einer wesentlichen Voraussetzung für diese gesetzliche Herausgabepflicht fehlt.

Richtig problematisch sind dann allerdings die Ausführungen des LAG im Zusammenhang mit der dem Mitarbeiter vorgeworfenen Pflichtverletzung:

Dieser hatte zutreffend darauf hingewiesen, dass es ihm nach den Lizenzbedingungen von Microsoft untersagt war, ein lizenziertes Programm Dritten zur Nutzung zu überlassen, so dass er sich bei Belassen des Programms auf dem Notebook ggü. dem Lizenzgeber einer Urheberrechtsverletzung schuldig gemacht hätte. Die Richter ließen das jedoch nicht gelten. In ihrer Entscheidung führen sie aus:

„Unerheblich ist auch, dass die Bekl. durch das Aufspielen eines handelsüblichen Programms durch den Kl. auf ihr Notebook nicht nach Maßgabe des § 69b Abs. 1 UrhG zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt worden ist. […]. Auch der Hinweis darauf, dass der Kl. Lizenznehmer hinsichtlich des Programms sei, rechtfertigt sein Verhalten nicht. Zu Recht weist die Bekl. darauf hin, dass die Benutzung des Programms durch sie nicht Problem des Kl. sei.“

Insbesondere der letzte Satz zeigt, dass das Gericht die grundlegende Problematik verkennt:

Die Nutzung einer nicht lizensierten Software ist (urheber-)rechtswidrig und in der Konsequenz auch strafbar. Soweit es den Mitarbeiter betrifft, dürfte regelmäßig ein Unterlassungsanspruch des Softwareherstellers gegeben sein, der einer Überlassung zur weiteren Nutzung der Kopie auf dem Laptop entgegensteht [2].

Entsprechendes gilt für die Situation, in der ein Berechtigter im Wissen, dass die Software bereits auf einem Rechner installiert ist und genutzt wird, einfach eine weitere Kopie auf einem weiteren Rechner installiert und nutzt. Die sächsischen Arbeitsrichter halten aber ganz offensichtlich Letzteres für zulässig und praktikabel und erheben erkennbar auch deshalb den Vorwurf eines rücksichtslosen Verhaltens :

„Letztlich ist auch nicht verständlich, warum der Kl. der Bekl. nicht wenigstens angeboten hat, […] nach Nutzung des Programms dieses zu löschen [Anm. d. Verfassers: Gemeint ist wohl die Nutzung der Arbeitgeberin zum Zweck des „Auslesens“ der Dateien nach Rückgabe des Laptops] und dies ihm zu bestätigen. Einen Nachteil dadurch hätte er nicht erlitten. Weder hätte er selbst das Programm unberechtigt benutzt noch hätte er es verloren. Denn nach seinem eigenen Vorbringen hält er die Disketten, von denen das Programm herrührt, in Händen.“

Dass die Arbeitgeberin in konsequenter Umsetzung der Rechtsauffassung des LAG [3] ein Laptop mit einem nicht lizensierten Programm zurückerhielte, das sie nicht nutzen darf, während der Mitarbeiter zwar die Datenträger behält, diese jedoch nicht mehr nutzen kann, ohne selbst rechtswidrig zu handeln, ist im Hinblick auf die in Frage stehende Herausgabepflicht gegenüber der Arbeitgeberin keineswegs rechtlich unerheblich oder geht lediglich diese etwas an, sondern hat konkrete Auswirkungen auf die zu berücksichtigenden rechtlichen Interessen bzw. die vom LAG thematisierte arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB:

Kein Arbeitnehmer kann billigerweise unter arbeitsvertraglichen Gesichtspunkten dazu verpflichtet sein, in voller Kenntnis der Umstände durch sein Handeln eine Situation zu schaffen, durch die er vorsätzlich Rechte Dritter verletzt sowie Gefahr läuft, von ihnen rechtlich belangt zu werden und der Arbeitgeber ebenfalls rechtswidrig und ggf. sogar strafbar handelt. Der Lizenzinhaber kann seine Software nur dann bedenkenlos (weiter) nutzen, wenn er einer unrechtmäßigen Nutzung Dritter zumutbar vorgebeugt hat. Etwas anderes, als die Löschung der Installation auf einem nicht mehr benutzten und nicht mehr im eigenen Besitz befindlichen Rechner bleibt da vernünftigerweise kaum.

Das grundsätzliche Problem besteht weniger darin, dass die Arbeitgeberin die zurückgelassenen Arbeitsergebnisse ohne die Software nicht lesen konnte, sondern darin, dass sie sie auch mit der verbliebenen Software nicht hätte lesen dürfen (also rechtlich gesehen nicht „konnte“). Dieses Problem allerdings konnte der Mitarbeiter zum maßgeblichen Zeitpunkt gar nicht mehr für die Arbeitgeberin durch Unterlassen der Deinstallation lösen – es war bereits mit der Arbeitsaufnahme nach erfolgter Installation entstanden. Und mit der hatte arbeitgeberseits Einverständnis bestanden.

Wenn man die Frage nach der Erschwerung des Datenzugriffs bzw. der Zumutbarkeit eigener Bemühungen schon thematisiert, darf man den Aspekt der (Mit-)Verantwortung für das Problem nicht völlig ausklammern: Die Arbeitgeberin hat es gerne zugelassen, dass der Mitarbeiter zur Bewältigung seiner Aufgaben ein bestimmtes eigenes Arbeitsmittel einsetzte und insoweit auf eigene Kosten ihren Zwecken diente. Dieser hat seine Arbeitsergebnisse auch vollständig und in grundsätzlich brauchbarer Form herausgegeben. Es dann ausschließlich dem Mitarbeiter zu überlassen, auch die reibungslose Weiternutzung der Dateien durch Zurücklassung des passenden „Werkzeugs“ sicherzustellen, erscheint wenig angemessen [4].

Die beiderseits naheliegende Folgerung aus dem Fall für die betriebliche Praxis:

Bei der Überlassung von Dienstrechnern sollte grundsätzlich darauf geachtet werden, dass nur Software installiert wird, die entweder auf den Arbeitgeber lizensiert oder aber frei bzw. unter einer GPL nutzbar ist (Freeware, Open Source).

Dieses Vorgehen empfiehlt sich natürlich nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit des betrieblichen IKT-Systems…

Fußnoten:
[1] Grundlegend dazu: Bundesgerichtshof, Urteil v. 14.07.1993 – VIII ZR 147/92
[2] Der Mitarbeiter wirkt hinsichtlich der Überlassung zur widerrechtlichen Nutzung an die Arbeitgeberin an einer Urheberrechtsverletzung mit.; er ist insoweit ein sog. „Störer“ und kann vom Rechtsinhaber auf Unterlassung sowie u.U. auch auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.
[3] Die direkte Aufforderung zu einem solchen Handeln würde man wohl unwidersprochen als versuchte Anstiftung zu einer Straftat bezeichnen dürfen.
[4] Bildet man den Fall ein wenig um, wird das offensichtlich: Niemand würde ernsthaft verlangen, daß ein Mitarbeiter, der mit Billigung des Arbeitgebers mittels eines privaten Geräts im Rahmen seiner Tätigkeit Arbeitsergebnisse auf Daten-CDs gebrannt hat, dieses bei Beendigung seiner Tätigkeit mit herauszugeben oder jedenfalls noch ein wenig auszuleihen hat, weil der Arbeitgeber gerade kein CD-Laufwerk besitzt. Nichts qualitativ anderes verlangt aber letztlich das Gericht hier.