(Keine) Vertraulichkeit unter „Freunden“? – Das „Social Web“ und das Äußerungsrecht im Arbeitsverhältnis


CuA_7-8-13

Der 3. Teil meiner Beitragsreihe zu den rechtlichen Problemfeldern bei der Nutzung sozialer Netzwerke durch Unternehmen und ihre Mitarbeiter ist kürzlich in der Ausgabe Juli/August 2013 der Fachzeitschrift ”Computer und Arbeit” (CuA) erschienen.

Er befasst sich mit dem Äußerungsrecht im Arbeitsverhältnis und stellt die wesentlichen Grundsätze sowie die typischen Promblemstellungen dar, wie sie sich im Zusammenhang mit der Betätigung von Mitarbeiter(inne)n in sozialen Netzwerken ergeben.

Nachstehend veröffentlicht finden Sie das Autoren-Original des Beitrags:

(Keine) Vertraulichkeit unter „Freunden“?

Das „Social Web“ und das Äußerungsrecht im Arbeitsverhältnis

Der nachfolgende Beitrag ist der dritte Teil einer mehrteiligen Darstellung[1], mit der die wesentlichen rechtlichen Problemfelder vorgestellt werden sollen, die sich speziell im Zusammenhang mit der Nutzung sozialer Netzwerke durch Unternehmen und ihre Mitarbeiter sowie – last but not least – auch die Interessenvertretung selbst – ergeben.

„Kündigung nach Facebook-Pöbelei“, „Facebook Funktion „Gefällt mir“ als Kündigungsgrund!?“, „Lästern auf Facebook ein Kündigungsgrund?“ oder gar: „Kündigungsfalle Facebook“ – so lauteten nur einige der Schlagzeilen unzähliger Publikationen zu dem Thema in den vergangenen beiden Jahren.

Es zeigt sich also: Auch die sozialen Netzwerke sind längst im Arbeitsleben angekommen.

Aktuellen Untersuchungen zufolge sind inzwischen fast drei Viertel (74%) der mittlerweile über 52 Mio. Internetnutzer in Deutschland Mitglied in mindestens einem sozialen Netzwerk[2] – also ca. 38 Mio. Und etwa 9 Mio. Menschen nutzen soziale Netzwerke auch während ihrer Arbeitszeit zu privaten Zwecken[3].

Unabhängig von den sonstigen grundsätzlichen rechtlichen Fragestellungen und Problemen bringen es die mittlerweile hohen und stetig zunehmenden Nutzerzahlen sowie die Funktionsweise bzw. der Zweck sozialer Netzwerke daher nachvollziehbar mit sich, dass sich mittlerweile bereits in einer ganzen Reihe von Fällen Gerichte mit der Zulässigkeit von Kommunikationsinhalten befassen mussten, die Mitarbeiter(innen) über Kolleg(inn)en, ihren Arbeitsplatz oder das Unternehmen innerhalb von sozialen Medien verbreitet haben.

Und ja: In nahezu allen bislang bekannt gewordenen gerichtlichen Streitigkeiten mit Bezug zu sozialen Netzwerken – das waren in der Regel Kündigungsschutzverfahren – waren tatsächlich Aktivitäten der jeweiligen Mitarbeiter(innen) bei Facebook der Anlass – was angesichts der Tatsache, dass diese Plattform mittlerweile allein in Deutschland knapp 25 Millionen Mitglieder hat[4], nicht sehr erstaunlich ist.

Die Bandbreite des persönlichen und beruflichen Hintergrundes (Alter, Geschlecht, Ausbildung, Tätigkeit, Status etc.) der Beteiligten sowie der „betroffenen“ Branchen und Berufsbereiche ist dabei sehr groß – hier ist praktisch alles vertreten:

Die Auszubildende des Friseur-Handwerks, die via Facebook nicht nur ihre Krankschreibung sondern gleichzeitig auch ihre im direkten Anschluss daran geplante Mallorca-Reise ankündigt – und in der Folge auch mit Fotos illustriert[5], die schwangere Angestellte im öffentlichen Dienst, die sich negativ über einen Mobilfunkprovider äußert, der dummerweise ein Kunde ihres Arbeitgebers ist[6], der Einzelhandelskaufmann, der sich mit deftigen Worten über den Charakter von Kolleg(inn)en äußert, die hinter seinem Rücken über sein vermeintliches Simulantentum lästern[7], der Produktionsmitarbeiter einer Kaltwalzfabrik, der ausgerechnet in seiner für alle „Freunde“  einsehbaren Facebook-„Chronik“ eine eigentlich nur für einen Kollegen persönlich bestimmte Mitteilung veröffentlicht, in der er sich mit drastischen Schimpfworten zu zwei kürzlich erhaltenen Abmahnungen sowie zur Person des Abmahnenden äußert[8] oder auch der Altenpfleger, der sich mit Kraftausdrücken seine Meinung über den miesen Charakter seines Chefs und die Geschäftspraktiken seiner Firma formuliert[9] – sie alle trugen zur richterlichen Rechtsfortbildung in diesem Bereich ebenso bei, wie die leitende Bankangestellte, der man vorwarf, sie habe einen beleidigenden Beitrag ihres Ehemanns über ihre Arbeitgeberin durch Anklicken des sog. „Gefällt mir“-Links („Like-Button“) gebilligt – und ihn eigentlich ohnehin hätte verhindern müssen[10].

Für reichlich (sozial-)mediale Anteilnahme sorgten zuletzt auch die zehn Feuerwehrleute der Berufsfeuerwehr Düsseldorf, die von ihrem Dienstherrn im Februar dieses Jahres postwendend (im wahrsten Wortsinn) für drei Monate suspendiert wurden, nachdem einer der Kollegen aus Anlass einer Auseinandersetzung mit der Stadt über die Auszahlung von Überstunden kritische Kommentare bei Facebook verbreitet hatte und die übrigen neun durch das Betätigen des „Gefällt mir“-Links ihre Zustimmung dokumentiert hatten[11].

Nicht bei Facebook sondern bei dem Video-Mitmachnetzwerk „YouTube“ spielte sich dagegen ein Sachverhalt ab, den das Verwaltungsgericht Berlin im Herbst vergangenen Jahres  zu entscheiden hatte[12]: Hier ging es um einen Professor, der sich im Rahmen einer Vorlesung sehr ausführlich und kritisch zum Umgang seiner Hochschule mit einem internen Plagiatsfall geäußert und seine Zuhörer dazu ermutigt hatte, die Aufzeichnung seiner „Brandrede“ bei YouTube „ins Netz zu stellen“. Was dann auch geschah – und ihm ein Bußgeld einbrachte.

Allen dieser gerade beispielhaft genannten Fälle ist gemeinsam, dass sie zum einen die grundsätzliche Frage aufwerfen, welche Äußerungen (Art und Inhalt) innerhalb eines Arbeitsverhältnisses überhaupt zulässig sind, ggf. unter welchen Voraussetzungen.

Und zum anderen geht es darum, die Besonderheiten rechtlich richtig einzuordnen, die die Kommunikationsvorgänge von Nutzern in sozialen Netzwerken mit sich bringen:

Insbesondere ist zu klären, ob und ggf. welche Aktivitäten bei der Nutzung von Social Media (noch) zur „vertraulichen Kommunikation“ zu zählen – und damit rechtlich schützenswert – und welche demgegenüber als „öffentliche Äußerung“ einzustufen sind.

Mit anderen Worten: Wann sind persönliche (Meinungs-)Äußerungen in sozialen Netzwerken tatsächlich noch privat?

Dies ist u.a. auch deshalb wichtig, weil sich bei jedem etwaigen Verstoß stets die Frage stellt, welche arbeitsrechtliche Reaktion angemessen ist und sich dies regelmäßig auch nach den Auswirkungen des Pflichtverstoßes und dem Grad der Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen richtet.

Ebenfalls von Bedeutung ist hier dann die weitere Frage, welche Sorgfaltspflichten den Arbeitnehmer bei der Nutzung sozialer Medien und der Verwendung einzelner Funktionen des jeweiligen Netzwerkes hinsichtlich der Verbreitung von Äußerungen ggf. treffen. Also z.B. bestimmte Einstellungen vorzunehmen, den Adressatenkreis zu beschränken oder bestimmte Features für bestimmte Mitteilungen zu deaktivieren.

Und schließlich ist natürlich auch von Interesse, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber überhaupt (private) Äußerungen von Mitarbeitern zur Kenntnis nehmen und ggf. zum Gegenstand arbeitsrechtlicher Maßnahmen machen darf[13].

Im Folgenden sollen zunächst die allgemeinen (äußerungs-)rechtlich zu beachtenden Spielregeln kurz angesprochen werden, wie sie generell – also auch außerhalb der Kommunikation in sozialen Netzwerken – für das Arbeitsverhältnis gelten.

Am Beispiel verschiedener Nutzungsoptionen bei Facebook werden im Anschluss dann die Besonderheiten erläutert, die bei einer (arbeits-)rechtlichen Bewertung der Social- Media-Kommunikation eine Rolle spielen.

Allgemeines

Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) erlaubt es Jedem, sagen und veröffentlichen zu dürfen, was er denkt – und zwar unabhängig davon, in welcher Form, d.h. mit welchem Medium das geschieht. Das gilt grundsätzlich auch im Arbeitsverhältnis.

Allerdings ist die Ausübung des Grundrechts der sog. Meinungsfreiheit nicht grenzenlos erlaubt. Sie wird durch andere Grundrechte beschränkt, wie z.B. das der persönlichen Ehre in Art. 5 Abs. 2 GG oder auch das des Eigentums in Art. 14 GG sowie die hierfür einschlägigen allgemeinen Gesetze – wie z.B. das Strafgesetzbuch (StGB), die Pressegesetze, das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) oder auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).

Im Betriebsalltag häufig in Betracht kommende Straftatbestände sind etwa § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen), sowie die Beleidigungstatbestände der §§ 185 ff. StGB (Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung).

Beleidigungen des Vorgesetzten, Schmähungen des eigenen Unternehmens oder gar verleumderische Aussagen über andere Mitarbeiter sind daher nie vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, sondern führen selbstverständlich stets zu arbeits- und ggf. auch strafrechtlichen Konsequenzen, sobald jemand an derartigen Äußerungen berechtigterweise Anstoß nimmt[14].

Auch die bloße Behauptung von Tatsachen über eine Person oder ein Unternehmen ist dann nicht erlaubt, wenn diese Tatsache objektiv unwahr ist: Tatsachen müssen stimmen, um überhaupt dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfallen zu können. Das ist jedoch lediglich die Mindestanforderung und bedeutet nicht, dass jede wahre Tatsachenbehauptung stets auch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist[15]. Dazu gleich noch etwas näher.

Zuvor ist noch auf die inhaltliche Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und bloßer Meinungsäußerung hinzuweisen:

Während der wesentliche Inhalt einer Meinungsäußerung eine lediglich subjektive und daher objektiv nicht nachweisbare Aussage enthält (z.B.: „Mein Vorgesetzter ist ein Blödbommel“), bezieht sich eine Tatsachenbehauptung immer auf etwas, das objektiv feststellbar, also einem tatsächlichem Beweis zugänglich ist (z.B. „Draußen regnet es“)[16].

Diese Unterscheidung hat Auswirkungen auf die Anforderungen an die rechtliche Zulässigkeit der jeweiligen Äußerung:

Da Meinungsäußerungen im Gegensatz zur Tatsachenbehauptung nicht „wahr“ oder „falsch“ sein können, kommt es bei ihnen ausschließlich darauf an, ob sie im konkreten Fall dem Betroffenen zugemutet werden können oder aber dessen Persönlichkeitsrecht unangemessen beeinträchtigen. Bei der Beurteilung, was bei einer Äußerung zumutbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung stets auf alle Umstände des Einzelfalls an, insbesondere etwa darauf, was zu der Äußerung geführt hat, den betrieblichen und branchenüblichen „Umgangston“, den Bildungsgrad und psychischen Zustand des Betroffenen sowie die Äußerungssituation.

Sodann: Auch Meinungsäußerungen, die nicht strafbar oder rechtswidrig sind, oder wahre Tatsachenbehauptungen können dennoch unzulässig sein:

Wie in jedem Vertragsverhältnis bestehen auch im Arbeitsverhältnis vertragliche Nebenpflichten für die Beteiligten. Für den Arbeitnehmer etwa eine grundsätzliche Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflicht demjenigen gegenüber, der ihn beschäftigt und bezahlt. Ganz allgemein hat er daher gem. § 241 Abs. 2 BGB die Pflicht, sich nach besten Kräften für die Interessen des eigenen Unternehmens einzusetzen und vor allem alles zu unterlassen, was nachteilig für seinen Arbeitgeber bzw. für dessen Geschäft ist.

Eine nach „normalen“ Maßstäben noch zulässige kritische Äußerung über die Firma kann daher wegen des besonderen Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnisses eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung darstellen und deshalb unzulässig sein.

Die Loyalitätspflicht verbietet daher i.d.R. eine herabsetzende öffentliche – also z.B. in einem sozialen Netzwerk weit verbreitete – Bewertung des Arbeitgebers durch seine Angestellten, selbst wenn sie in der Sache nachvollziehbar wäre.

Ob eine Äußerung noch erlaubt oder schon pflichtwidrig ist, im Einzelfall also entweder die Meinungsäußerungsfreiheit oder doch die Rücksichtnahmepflicht schwerer wiegt, ist im Rahmen einer – wie bereits erwähnt auf den konkreten Einzelfall bezogenen – Gesamtabwägung vorzunehmen. Hierbei kommt es neben den bereits vorhin genannten Faktoren vor allem auf die Schwere der Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen bzw. des Unternehmens an. Dies lässt sich wesentlich vor allem am Grad der Verbreitung und an den Begleitumständen (z.B. Anlass, Kontext, Aufmachung, Größe des Unternehmens) der Äußerung festmachen.

Ebenfalls bereits unmittelbar aus der arbeitsrechtlichen Rücksichtnahmepflicht ergibt sich auch die Verpflichtung des Mitarbeiters zur Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen[17].

Die Veröffentlichung solcher Informationen stellt nicht nur eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, sondern kann gem. § 17 UWG sogar eine Straftat sein.

Noch weitergehende Beschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit, die sich aus der Besonderheit des jeweiligen Vertrags- bzw. Rechtsverhältnisses ergeben, bestehen vor allem in öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen, bei den sog. Tendenzbetrieben gem. § 118 Abs. 1 BetrVG und auch für Betriebsräte:

Letztere müssen bei etwaigen öffentlichen Äußerungen vor allem die speziell u.a. für Betriebsräte und sonstige betriebsverfassungsrechtliche Interessenvertreter(innen) geltenden Strafvorschriften des § 120 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und  § 120 Abs. 2 BetrVG beachten: Wer gegen die Geheimhaltungspflicht aus § 79 Abs. 1 BetrVG verstößt, macht sich ebenso strafbar wie derjenige, der unbefugt ein fremdes Geheimnis eines Kollegen offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied oder Ersatzmitglied einer Interessenvertretung bekannt geworden ist.

Kommunikation in Social Media

Wenden wir uns nun den Besonderheiten zu, die bei Äußerungen im „Social Web“ zu beachten sind.

Wesentliches Element bei der Beurteilung, ob eine Äußerung als zumutbar angesehen wird, ist – wie wir bereits gesehen haben – eine Abwägung der beiderseitigen Interessen: Des Persönlichkeitsrecht des Äußernden und dessen Recht auf freie Meinungsäußerung einerseits und andererseits das Persönlichkeitsrecht oder – im Fall des Unternehmens bzw. Arbeitgebers – auch das Eigentumsrecht des Betroffenen.

Ist demnach die Beeinträchtigung für den von einer Äußerung Betroffenen z.B. wegen ihrer Kurzzeitigkeit und recht überschaubaren Verbreitung nicht sonderlich groß, wird man i.d.R. der Meinungsfreiheit bzw. dem Persönlichkeitsrecht des Äußernden den Vorrang einräumen.

Die ständige arbeitsgerichtliche Rechtsprechung unterscheidet vor diesem Hintergrund u.a. maßgeblich danach, ob eine Äußerung im privaten Bereich (vertraulich) oder öffentlich getätigt wurde.

Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist über das Persönlichkeitsrecht geschützt. Selbst beleidigende oder ehrverletzende Äußerungen rechtfertigen dementsprechend im Normalfall ohne Weiteres z.B. noch keine verhaltensbedingte Kündigung, sofern sie im vertraulichen Gespräch unter Arbeitskollegen gemacht wurden[18].

Während arbeitgeberkritische Äußerungen in der Kantine oder im Freundes-/ und Bekanntenkreis allerdings i.d.R. auch dort bleiben, sieht das bei entsprechenden Mitteilungen via Social Media meist anders aus: Je nach den vom Nutzer vorgenommenen Privatsphäre- Einstellungen, dem von ihm benutzten Veröffentlichungsmodus, der Anzahl seiner Netzwerkfreunde etc., variiert die hergestellte Öffentlichkeit – und damit auch das Ausmaß der Beeinträchtigung des Betroffenen.

Die u.U. enorme Reichweite einer Mitteilung spielt hier ebenso eine Rolle wie die fehlende „Flüchtigkeit“ einer mal so eben dahin „geposteten“ Mitteilung.

Denn die potenzielle Dauerhaftigkeit (Speicherung an unzähligen unbekannten Orten, praktisch jederzeitige Reproduktionsmöglichkeit – „Das Netz vergißt nicht!“) und fehlende Beherrschbarkeit sowie die immense Verbreitungsgeschwindigkeit von Kommunikationsinhalten, die durch die Nutzer von Social Media veröffentlicht und – dann oft ohne Wissen oder auch gegen den Willen – weiterverbreitet werden, sind für die Annahme privater Kommunikation sehr problematische Aspekte.

Der Kreis der potenziellen Empfänger ist faktisch vom Sender nach Veröffentlichung der Nachricht kaum noch beeinflussbar – ebenso wenig sind die Reaktionen der „Netzgemeinde“ auf einzelne Postings beherrschbar. Hier spielt auch die hohe Verbreitungsgeschwindigkeit von Äußerungen im Internet eine Rolle: Beleidigende Äußerungen können durch die Art der Verbreitung in sehr kurzer Zeit einen großen Personenkreis erreichen. Dagegen hilft ggf. auch schnelles Löschen eines Eintrags nichts mehr – der Absender verliert schnell die Kontrolle über seine eigene Äußerung, die durch andere „geteilt“ oder via „Gefällt mir-Button“ indirekt weiterverbreitet werden kann.

Man muss sich in diesem Zusammenhang zudem klar machen, dass immer wieder auch gänzlich falsche Meldungen aller Art im Social Web plaziert werden, die sich dann teilweise wie das sprichwörtliche Lauffeuer verbreiten und dann nur schwer wieder richtig zu stellen sind.

Ein aktuelles Beispiel: Während des Hochwassers, das seit Anfang Juni 2013 einige Regionen Deutschlands stark betrifft, wurde via Facebook die Meldung verbreitet, dass die Baumarktkette „Max Bahr“ (Praktiker) in der ebenfalls stark betroffenen Stadt Magdeburg  angeblich die Preise für Sandsäcke kurzfristig deutlich erhöht hätte. Man solle diesen Hinweis doch bitte teilen, um auch andere darauf aufmerksam zu machen, wie ungeniert sich der Konzern an der Not der Mitmenschen bereichere. Nicht nur, dass das Gegenteil richtig war (tatsächlich wurden die Preise mit Blick auf die ernste Situation drastisch gesenkt) – das Unternehmen gewährte Betroffenen der Region sogar einen 30%igen „Nothilfe-Rabatt“. Nur ließ sich die Welle der Empörung nicht zurückholen, die daraufhin bereits über das Unternehmen hinweggegangen war – und wegen des vieltausendfachen „Teilens“ der Nachricht ließ sich auch letztlich nicht mehr klären, wer die Falschmeldung denn nun eigentlich ursprünglich veröffentlicht hatte[19].

Hinzu kommt, dass über soziale Medien nicht nur Geschriebenes, sondern häufig auch Bilder und Tonaufnahmen oder auch gleich beides zusammen als Videoclip in sozialen Medien veröffentlicht wird. Damit intensiviert sich ggf. die Wirkung erheblich, die von einem Kommunikationsinhalt ausgeht.

Und noch weniger als beim bereits erwähnten „Kantinentratsch“ im Kollegenkreis kann der Mitarbeiter, der sich in einem sozialen Netzwerk äußert, hier grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Äußerungen nicht verbreitet werden: Das Wesen sozialer Netzwerke ist ja gerade die Verbreitung von Inhalten.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die bereits zu Beginn dieses Beitrags angedeutete „Gretchen-Frage“, ob Äußerungen in Social Media überhaupt privat (im Sinne von „vertraulich“) sein können.

Die bisherige Rechtsprechung nimmt zu diesem Punkt momentan noch eine recht indifferente „schwarz-weiß-Sicht“ ein:

Während z.B. die obersten bayerischen Verwaltungsrichter augenscheinlich kein Problem damit haben, die Aktivitäten einer Mitarbeiterin innerhalb ihres Facebook-Accounts grundsätzlich als „vertrauliche Kommunikation mit ihren Internetfreunden“ zu bewerten, die persönlichkeitsrechtlichen Schutz genießt[20], gehen die bisherigen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen überwiegend ebenso unproblematisch davon aus, dass jegliche Äußerungen in sozialen Netzwerken grundsätzlich keinen vertraulichen Charakter haben.[21]

Für eine Vielzahl der Fälle dürfte die Sichtweise der Arbeitsgerichte sicherlich dichter dran sein an der Realität, als die Annahme, jeder virtuelle Freund sei auch vertrauenswürdig wie ein analoger.

Sinnvoll dürfte es aber sein, die Antwort nicht pauschal mit Blick auf das Medium als solches zu geben, sondern in Abhängigkeit von den jeweiligen tatsächlichen Umständen, unter denen die Kommunikation sich vollzieht.[22]

Da es in den sozialen Netzwerken regelmäßig verschiedene Privatsphäre-Levels/-Einstellungsmöglichkeiten und zudem auch unterschiedliche „Kommunikationswerkzeuge“ und –funktionalitäten gibt, sollte eine sachgerechte Einschätzung daran anknüpfen, welchen Grad der Vertraulichkeit die konkret gewählte Kommunikationsform aufweist.

Sehen wir uns das am Beispiel der prominentesten Parameter bzw. Features bei Facebook also einmal näher an:

Nutzerprofil

Wesentlicher Bestandteil jeder Kommunikation im Social Web ist zunächst das Nutzerprofil. Nicht nur bei Facebook werden hier außer den „klassischen“ personenbezogenen Daten wie Name, Wohnort, Kontaktdaten etc. insbesondere auch persönliche Nutzer-Angaben zu Ausbildung und Arbeitgeber ermöglicht. Wer das Profil zu sehen bekommt – und wie viel davon, legt der Nutzer selbst fest. In der „schwächsten“ Einstellung sind alle dortigen Angaben für alle im World Wide Web öffentlich sichtbar, unabhängig davon, ob jemand überhaupt Mitglied bei Facebook ist.[23]

Wenn also etwa ein Mitarbeiter wie der (immerhin schon 26-jährige) Auszubildende in einem vom Landesarbeitsgericht Hamm entschiedenen Fall[24] – in seinem privaten Facebook-Profil die Angaben “Arbeitgeber:  menschenschinder & ausbeuterLeibeigener?? Bochum daemliche scheisse für mindestlohn – 20% erledigen[25] veröffentlicht, äußert er sich sicherlich nicht vertraulich über seine Ausbildungsstätte.

Das dürfte selbst dann gelten, wenn sein Profil nicht „öffentlich“ sondern z.B. nur für „Freunde“ und „Freunde von Freunden“ zugänglich ist:

Legt man zugrunde, dass die durchschnittliche „Freundeszahl“ eines Facebook-Users aktuell jedenfalls bei deutlich über 100 liegt[26], wird deutlich, welche Öffentlichkeit und hohe Anzahl u.U. völlig unbekannter Adressaten sich bereits auf der Stufe „Freunde von Freunden“ ergibt. Und selbst die eigenen „Freunde“ sind in aller Regel keine Sammlung guter privater Bekannter oder befreundeter Arbeitskollegen, mit denen man sich tatsächlich auch im „echten Leben“ über persönliche Dinge unterhält. Häufig steckt nicht mehr als eine flüchtige Bekanntschaft „über Eck“ und eine bestätigte Freundschaftsanfrage dahinter[27].

Berücksichtigt man, dass es bei Profilangaben in einem sozialen Netzwerk von vornherein wenig Sinn ergibt, Einträge vorzunehmen, die danach niemand außer einem selbst noch sehen kann (und entsprechende Beschränkungen bei den Einstellungen also normalerweise  nicht vorgenommen werden, wenn jemand dort Angaben zu einzelnen Rubriken macht), dürfte hier also im Normalfall nie von vertraulichen Angaben auszugehen sein[28].

Facebook-Chronik[29]

Die „Chronik“ ist sozusagen das „Logbuch“ bei Facebook. Hier tauchen – je nach persönlicher Einstellung diverse – meist eigene, oft selbstverfasste, häufig aber auch nur selbst veranlasste  – Einträge über Aktivitäten des betreffenden Mitglieds auf, die – ebenfalls je nach Voreinstellung von anderen gesehen, kommentiert, „geteilt“ (=weiterverbreitet) oder auch „geliked“ werden können. Wenn der Accountinhaber es zuläßt, können aber auch Dritte Inhalte verschiedenster Art in der Chronik hinterlassen.

Für Beiträge, die der Nutzer selbst verfasst und in die Chronik einstellt, gilt sinngemäß das Gleiche, wie für die Profilangaben: Je nach gewählter Voreinstellung kann die ganze Web-Welt lesen oder auch mitveröffentlichen – oder auch nur ausgewählte Personen oder Gruppen.

Wer – wie der bereits erwähnte Produktionsmitarbeiter in dem vom Arbeitsgericht Hagen entschiedenen Fall[30] – seinem Unmut über seine Abmahnungen mit beleidigenden Ausdrücken über den (auch namentlich genannten) Vorgesetzten dort Luft und für alle seine Facebook-Freunde zugänglich macht, äußert sich selbst dann nicht mehr „vertraulich“, wenn er seine Mitteilung eigentlich nur für einen seiner Kollegen verfasst, die Zahl seiner Facebook-Freunde nur unterdurchschnittlich groß sein mag und sich unter ihnen u.U. auch eine hohe Anzahl Arbeitskollegen befinden mag[31].

Denn anders als z.B. in der Situation eines „Flurgesprächs“ unter vier Augen hat der sich hier online Äußernde tatsächlich gar keine Ahnung, wer alles, wann, wo und bei welcher Gelegenheit seine Äußerung zur Kenntnis nimmt. Von einem irgend gearteten Vertrauen auf die Verschwiegenheit jedes der potenziellen Adressaten kann daher keine Rede sein. Und gerade der Umstand, dass nicht nur ein einzelner, sondern eine Vielzahl von Arbeitskolleg(inn)en die Beleidigung des Chefs zur Kenntnis nehmen können, spricht gegen eine vertrauliche Äußerung, denn dadurch – so das Gericht – habe der Mitarbeiter seine Schmähungen „quasi betriebsöffentlich, vergleichbar einem Aushang am „Schwarzen Brett““ vorgenommen.

Es kommt der bereits erwähnte „Kontrollverlust“ hinzu: Jeder, der berechtigt ist, bestimmte Facebook-Inhalte sehen zu dürfen, kann diese Inhalte nach Belieben gezielt („mit anderen teilen“) oder auch automatisiert (etwa durch Betätigung des „Gefällt-mir-Buttons“) weiterverbreiten.

Entsprechendes gilt selbstverständlich auch für Einträge, die ein Mitarbeiter in der Chronik eines anderen Nutzers hinterlässt. Hier ist die mangelnde Beherrschbarkeit sogar offensichtlich noch größer, denn im Normalfall sind die „Freunde“ des Chronik-Besitzers nicht zugleich auch solche desjenigen, der dort z.B. einen Kommentar hinterlässt, sondern zu einem großen Teil Unbekannte. Auch hat der Eintragende keinerlei Kontrolle darüber, wem der Chronik-Besitzer die dortigen Inhalte zugänglich macht, da der Empfängerkreis vom Berechtigten jederzeit nachträglich noch geändert (also auch erweitert) werden kann und sämtliche Äußerungen u.U. auch nachträglich noch öffentlich werden können.

Soweit es Einträge in die Facebook-Chronik betrifft, dürfte eine vertrauliche Kommunikation daher allenfalls dann anzunehmen sein, wenn die konkrete Äußerung tatsächlich nur einem persönlich nahestehenden kleinen Personenkreis zugänglich ist, dem gegenüber der Äußernde üblicherweise von einer vertraulichen Behandlung seiner Äußerungen ausgehen kann (Familie, enge Freunde bzw. Vertrauenspersonen, befreundete Kollegen o.ä.).

Wenn dies jedoch der Fall ist, spricht nichts dagegen, diese Kommunikation dem gleichen rechtlichen Schutz zu unterstellen, wie sie z.B. einer in der Kantine gegenüber Kollegen geäußerten Beleidigung des Vorgesetzten zukommt.

„Gefällt mir“-Funktion

Einen besonderen Fall der Meinungsäußerung stellt die Nutzung des bereits wiederholt genannten sog. „Gefällt mir-Buttons“ („Like-Button“) dar:

Facebook macht seinen Nutzern das Kommentieren von Beiträgen (das können fremde sein, bei eigenen geht das aber genauso) dadurch noch etwas leichter, das es zu jedem Beitrag u.a. einen Link mit dem Text „Gefällt mir“ anzeigt. Wird dieser durch einen Leser angeklickt, erscheinen dessen Profilname sowie Profilfoto – für alle übrigen Leser des Beitrags sichtbar – hinter einem Symbol mit erhobenem Daumen, zusammen mit allen anderen, die den Link ebenfalls angeklickt haben. Ebenfalls angezeigt wird die Gesamtanzahl der Leser, denen der Beitrag „gefällt“. Gleichzeitig erfolgt eine automatische Benachrichtigung aller Freunde des Beitragsverfassers sowie der des Klickenden darüber, dass dieser die Option „Gefällt mir“ zu dem konkreten Beitrag angeklickt hat. Für Beiträge, die ursprünglich außerhalb von Facebook verfasst wurden, besteht die Möglichkeit, auf diese durch Verwendung eines „zum Einbau“ durch Facebook bereit gestellten Buttons mit der entsprechenden Aufschrift in gleicher Weise aufmerksam zu machen.

Nun ist unter Juristen noch einigermaßen umstritten, ob dieser Betätigung tatsächlich der Erklärungsgehalt einer echten Zustimmung, eines „Zu-Eigen-Machens“ des Inhalts im rechtlichen Sinne beizumessen ist[32]. Auch wird die Auffassung vertreten, dem geklickten „Gefällt mir“ solle man schon grundsätzlich keine zu hohe Bedeutung beimessen, weil es sich hierbei oftmals um eine spontane Reaktion ohne nähere Überlegung handele.[33]

Unstreitig dürfte zunächst sein, dass sämtliche Aussagen über die rasche, nicht beherrschbare Verbreitung wie sie für die in der Chronik erscheinenden Beiträge genannt wurden, hier ebenfalls zutreffen. Über eine etwaige Vertraulichkeit braucht man daher nicht zu streiten: Die ist sicher nicht gegeben. Und wenn es um die etwaigen Folgen für den Betroffenen geht, kann es im Rahmen einer Interessenabwägung über die grundsätzliche Zulässigkeit einer Äußerung zunächst keinen entscheidenden Unterschied machen, ob er nun das Opfer einer planvollen oder nur einer spontanen Beleidigung wurde[34].

Dann reduziert sich die entscheidende Frage auf den Erklärungswert einer via „Gefällt mir“-Klick erklärten Zustimmung. Hier sollte man die Antwort ebenfalls weniger allgemein vom gewählten Erklärungsinstrument abhängig machen, als vielmehr einzelfallbezogen im jeweiligen Kontext der gesamten Erklärung geben:

Längst nicht immer eignet sich der Inhalt eines Beitrags dazu, einen eindeutigen Rückschluß auf etwaige Motive desjenigen zu ziehen, der ihn „liked“ oder anderweitig teilt: Ein „Gefällt mir“ zu der Mitteilung etwa, man sei heute wegen mangelhafter Arbeitsleistung abgemahnt worden und habe daraufhin empört für den Rest des Tages das Büro verlassen, lässt objektiv völlig offen, ob der Kommentierende das Selbstbewußtsein des Abgemahnten gut findet oder aber eher die Tatsache, dass der Faulpelz endlich mal aufgefallen ist.

Und weil das Pendant zu „Gefällt mir“ – nämlich „Gefällt mir nicht“ – fehlt, kommt auch dem Anklicken nur dort eine eindeutige Botschaft zu, wo das aufgrund des Ausgangsbeitrags unzweifelhaft erscheint: Das „Gefällt mir“ zu der Mitteilung, dass ein geschätzter Kollege in der Firma unerwartet verstorben ist, wird in aller Regel richtigerweise als Anteilnahme zu verstehen sein – und nicht etwa als Ausdruck der Zufriedenheit mit dessen Ableben.

Nicht immer dürften die Dinge so eindeutig liegen. Dort jedoch, wo sich für jeden objektiven Betrachter ein erkennbares Motiv für das Betätigen des „Gefällt mir“-Buttons aufdrängt, muss dies auch dem klickenden Nutzer klar sein[35].

Wenn also – wie in dem vom Arbeitsgericht Dessau-Roßlau entschiedenen Fall[36] der Bankangestellten –  jemand „Gefällt mir“ zu einem Beitrag anklickt, der die grafische Darstellung eines Fischs enthält, bei der das Mittelstück des Fisches durch ein Symbol des eigenen Unternehmens dargestellt ist sowie den dazu gehörigen Kommentar „Unser Fisch stinkt vom Kopf“, bringt damit recht unzweideutig zum Ausdruck, dass er diese Polemik gut findet. Und dadurch, dass er ihn mit dieser Aktion weiterverbreitet, sorgt er auch willentlich dafür, dass das möglichst auch noch viele andere ebenfalls zur Kenntnis nehmen.

Darin kann sicherlich ein „Zu-eigen-machen“ – und in der Konsequenz eine Verletzung der Loyalitätspflicht gesehen werden[37].

Facebook-Gruppe

Gruppen bei Facebook haben ebenfalls eine Chronik, in die die Mitglieder Veröffentlichungen aller Art einstellen können. Soweit es sich um eine „öffentliche“ – nämlich keiner Zugangsbeschränkung unterliegende Gruppe handelt, der sich jeder ohne Prüfung durch den Gruppeninhaber dazu gesellen kann, ist aus den bereits ausführlich dargestellten Gründen klar, dass vertrauliche Äußerungen hier fehl am Platz sind.

Anders kann das zu beurteilen sein, wenn es sich um eine „geschlossene“ (=zugangsbeschränkte aber sichtbare) oder gar „geheime“ (=zugangsbeschränkte und nicht für alle sichtbare) Gruppe handelt, deren Mitgliederzahl gering und innerhalb derer der  Persönlichkeitsbezug (Freunde, Familienmitglieder, gute Kollegen u.ä.) hinreichend stark ist. Da hier nur die „handverlesenen“ Mitglieder am Informationsaustausch teilnehmen können, bei denen man auch im „analogen Leben“ von einer gewissen Verschwiegenheit ausgehen dürfte, wird man die Kommunikation hier als vertraulich einstufen können.

Facebook- Chat

Facebook bietet – wie fast alle anderen sozialen Netzwerke auch – neben der öffentlichen Kommunikation die Möglichkeit, über die Funktion „Nachrichten“ oder den „Chat“ einzelne Mitteilungen und Inhalte direkt an ausgewählte Teilnehmer zu schicken.

Der Sache nach ist das eine persönliche 1:1-Kommunikation wie z.B. bei einem Brief oder auch bei einer herkömmlichen E-Mail-Nachricht. Solange nicht plötzlich ein „Rundmail-Verteiler“ verwendet wird, sondern Nachrichten an Personen gesendet werden, von deren Verschwiegenheit der Absender auch in einem persönlichen Gespräch ausgehen dürfte, unterfallen solche Botschaften ohne Weiteres dem Vertraulichkeitsschutz und sind ungeachtet ihres etwaig negativen Inhalts und trotz der Tatsache, dass sie über ein soziales Netzwerk verschickt werden  grundsätzlich zulässig.

Verantwortung für Andere

Grundsätzlich verantwortet jeder nur das, was er selbst veröffentlicht. Gerade aber die Tatsache, dass z.B. in  der eigenen Chronik i.d.R. auch Besucher Einträge hinterlassen können, wirft natürlich die Frage auf, welche Verantwortung der Nutzer z.B. für beleidigende Inhalte Dritter trägt.

Im geschilderten Fall der Bankangestellten etwa, hat das Arbeitsgericht die Mitarbeiterin auf Grund der arbeitsvertraglichen Loyalitätspflicht grundsätzlich für verpflichtet gehalten, auf ihren Ehemann mit der Maßgabe einzuwirken, Äußerungen zu unterlassen, die das Ansehen ihres Unternehmens schädigen.

Nun mag man über das Bestehen und die Reichweite einer derartigen Verpflichtung, (pro)aktiv auf Dritte einzuwirken, beleidigende Äußerungen über den eigenen Arbeitgeber oder seine Kollegen zu unterlassen, sicherlich streiten.

Es dürfte aber jedenfalls eine Pflicht dazu bestehen, eine beleidigende Aussage, die ein Dritter in der Chronik hinterlassen hat, nach Kenntnis (also spätestens, wenn der Chronik-Inhaber von jemandem darauf aufmerksam gemacht wurde) zu entfernen. Je schwerer die Beleidigung wiegt und je größer der Kreis der potenziellen Adressaten ist, desto eher wird von einer solchen Löschungspflicht auszugehen sein.

Klarzustellen ist aber auch, dass eine etwa unterlassene Einwirkung auf einen Dritten oder auch das Nichtentfernen einer Beleidigung im Normalfall keine so schwere Pflichtverletzung ist wie ein entsprechender eigener Beitrag. Auch wird man hierin – anders als etwa beim Anklicken des „Gefällt mir“-Links – auch nicht ohne Weiteres eine Zustimmung zu einer  (z.B.)  beleidigenden Aussage sehen können.

Verhalten in der Freizeit

Sehr viel stärker als bei sonstigem privaten Tun stellt sich bei der Nutzung sozialer Netzwerke schließlich noch die Frage nach dem außerbetrieblichen Verhalten der Mitarbeiter.

Selbstverständlich reicht das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht so weit, dass er seinen Mitarbeitern vorschreiben könnte, wie sie sich zu Hause in sozialen Netzwerken zu verhalten haben.

Allerdings gilt natürlich auch außerhalb des Dienstes die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers und damit u.a. die Verpflichtung, dem Ansehen des Arbeitgebers nicht zu schaden.

Wer sich z.B. unter rechtswidriger Verbreitung verfassungsfeindlicher Äußerungen, fremder urheberrechtlich geschützer Werke, anstößigen Fotomaterials oder in anderer objektiv zweifelhafter Weise in sozialen Netzwerken tummelt und dabei im Profil für jedermann erkennbar seinen Arbeitgeber benennt, stellt einen Bezug her, der offensichtlich den vernünftigen Interessen jedes Arbeitsgebers zuwiderläuft – und begeht damit u.U. eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung.

Ähnlich problematisch und vergleichsweise häufig kommt es auch vor, dass ein Mitarbeiter zwar keine Rechtsverstöße im eigentlichen Sinne begeht, sich jedoch in einer Form in einem sozialen Netzwerk bewegt bzw. äußert, dass der unzutreffende Eindruck entsteht, er repräsentiere das Unternehmen.

Vor allem bei der Teilnahme an Diskussionen in Foren kann hier schnell ein erheblicher Rufschaden für das Unternehmen entstehen, wenn objektiv nicht erkennbar ist, dass der Mitarbeiter ausschließlich seine private Meinung verbreitet und diese nicht zwingend mit der des Unternehmens identisch ist[38].

Fußnoten

[1] Teil 1 (Einführung): Computer und Arbeit, Oktober 2012, Teil 2 (Urheberrecht): Computer und Arbeit, März 2013.

[2] Quelle: http://www.bitkom.org/de/markt_statistik/63995.aspx (Abrufstand: 10.06.2013).

[3] Einen (ziemlich) aktuellen Überblick zu den Zahlen und Hintergründen gibt eine unter der Adresse http://www.bitkom.org/files/documents/SozialeNetzwerke.pdf abrufbare repräsentative Untersuchung (Stand: Ende 2011) zur Nutzung sozialer Netzwerke im Internet des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM).

[4] Quelle: http://allfacebook.de/userdata/.

[5] ArbG Düsseldorf, 28.08.2011 – Az.: 7 Ca 2591/11.

[6] VGH München, 29.02.2012 – Az.: 12 C 12.264.

[7] ArbG Duisburg, 26.09.2012 – Az.: 5 Ca 949/12.

[8] ArbG Hagen , 16. Mai 2012 – Az.: 3 Ca 2597/11.

[9] ArbG Bochum, 09.02.2012 – Az.: 3 Ca 1203/11 und LAG Hamm, 15.08.2012 – Az.:  5 Sa 451/12.

[10] ArbG Dessau-Roßlau, 21.03.2012 – Az.: 1 Ca 148/11.

[11] http://www.rp-online.de/region-duesseldorf/duesseldorf/nachrichten/ob-elbers-suspendiert-feuerwehrleute-1.3163789. Die Suspendierung wurde wenige Tage später aufgehoben, die Disziplinarverfahren liefen allerdings anscheinend weiter (http://www.derwesten.de/staedte/duesseldorf/ob-elbers-hebt-suspendierung-der-feuerwehrleute-auf-id7586045.html).

[12] VerwG Berlin, 29.10.2012 – Az.: 80 K 23.12 OL.

[13] Auf diesen Aspekt wird im Rahmen einer weiteren Folge dieser Beitragsreihe näher eingegangen, der sich mit den datenschutzrechtlichen Fragen und Problemen der Social-Media-Nutzung befasst.

[14] Zuletzt hierzu etwa: BAG, 27.09.2012 – Az.: 2 AZR 646/11.

[15] Umgekehrt ist aber auch nicht gleich jede objektiv unwahre Tatsachenbehauptung rechtswidrig oder gar eine Straftat. Es hat nur niemand das verfassungsmäßig geschützte Recht, falsche Tatsachen zu verbreiten.

[16] Schwierig wird es u.U. dann, wenn ein Begriff, der einen objektiven Tatsachenkern enthält (z.B. „Gauner“), lediglich dazu benutzt werden soll, eine geringschätzende Meinung auszudrücken. Beispielhaft zur Abgrenzung zwischen Beleidigung (=Meinungsäußerung) und Behauptung  einer unwahren Tatsache bei vorgeworfener Verwendung der Bezeichnung „Verbrecher“ siehe etwa: LAG Köln, 18.04.1997 – Az.: 11 Sa 995/96.

[17] Diese Pflicht besteht folglich ohne dass es hierzu erst noch einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung oder arbeitgeberseitigen Anordnung bedürfte. Grobe Unterscheidung beider Begriffe: Unter das Geschäftsgeheimnis fallen i.d.R. finanzielle und andere  wirtschaftlich relevante Sachverhalte, während sich das Betriebsgeheimnis inhaltlich auf technische Informationen bezieht.

[18] BAG, 10.12.2009 – Az.: 2 AZR 534/08.

[19] Der in diesem Zusammenhang geprägte Begriff des sog. „shitstorms“ beschreibt diesen Teilaspekt sehr plastisch.

[20] VGH München, 29.02.2012 – Az.: 12 C 12.264, Rz. 35.

[21] Vgl. etwa: ArbG Dessau-Roßlau, 21.03.2012 – Az.: 1 Ca 148/11; ArbG Duisburg, 26.09.2012 – Az.: 5 Ca 949/12.; LAG Hamm, 15.08.2012 – Az.:  5 Sa 451/12.

[22] Damit wird man auch systematisch sicherlich dem rechtlichen Erfordernis am ehesten gerecht, eine Einzelfallabwägung vorzunehmen.

[23] Insbesondere zugänglich auch für Suchmaschinen-Abfragen aller Art.

[24] LAG Hamm, 10.10.2012 – Az.: 3 Sa 644/12.

[25] Rechtschreibung des Originals wurde beibehalten.

[26] Im konkreten Fall waren es genau 112.

[27] Tatsächlich gibt es Zeitgenossen, die sich anscheinend maßgeblich über die – möglichst hohe – Zahl ihrer virtuellen „Freunde“ definieren.

[28] Anders allenfalls dann, wenn tatsächlich nur einzelne ausgewählte Personen oder eine nahestehende Gruppe – z.B. Familie – Einblick hat.

[29] Bis 2012 hieß die entsprechende Funktion „Pinnwand“.

[30] ArbG Hagen, 16. Mai 2012 – Az.: 3 Ca 2597/11.

[31] Im konkreten Fall waren es 70 „Freunde“, von denen 36 Arbeitskolleg(inn)en waren.

[32] Eindeutig bejahend: Bauer/Günther, NZA 2013, 67 (70) m.w.N. – anders etwa: LG Hamburg, 10.01.2013 – Az.: 327 O 438/11 („rein unverbindliche Gefallensäußerung“). Beim Business-Netzwerk XING hat man dieses Problem durch eine andere Terminologie etwas entschärft: Dort gibt es zum Kommentieren von sog. Statusmitteilungen u.a. die Optionen „Empfehlung“ und „Interessant“.

[33] In diesem Sinne: ArbG Dessau-Roßlau, 21.03.2012 – Az.: 1 Ca 148/11.

[34] Dieser Unterschied kann dagegen eine u.U. entscheidende Rolle spielen, wenn es um die arbeitsrechtliche Ahndung eines Verstoßes geht: Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen eines spontanen „Gefällt mir“ zum Beitrag eines anderen dürfte sehr viel schwerer zu rechtfertigen sein, als im Falle eines eigenen Textbeitrags, mit dem z.B. die eigene Firma beschimpft wird.

[35] In diesem Fall käme es sogar eigentlich schon darauf an, einen etwaigen falschen Eindruck gar nicht erst entstehen zu lassen.

[36] ArbG Dessau-Roßlau, 21.03.2012 – Az.: 1 Ca 148/11.

[37] Ob diese Pflichtverletzung als solche dann bereits für eine wirksame Kündigung ausreicht, steht auf einem anderen Blatt. Im konkreten Fall tat sie das nicht.

[38] Das gilt übrigens auch umgekehrt: Wenn sich herausstellt, dass eine scheinbar private positive Meinungsäußerung zu einem Unternehmen tatsächlich von einem Mitarbeiter stammt, ist das für das Image auch nicht förderlich. Das ist dann allerdings i.d.R. kein arbeitsrechtliches Problem…