Diskriminierung des Arbeitnehmers durch Verweigerung des Online-Zugangs

Computer und Arbeit - März 2008 Internet und e-Mail-Kommunikation am Arbeitsplatz sind nicht nur wegen der Dauerbrenner „Privatnutzung“ und „Teilhaberechte von Interessenvertretungen“ mittlerweile ein ständiges Thema zwischen Arbeitgebern und Mitarbeitern.

In einem Beitrag für die März-Ausgabe 2008 der Fachzeitschrift „Computer und Arbeit“ (CuA) stellt Rechtsanwalt Strunk eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vor, das sich mit der Frage zu befassen hatte, ob (und ggf. unter welchen Voraussetzungen) es arbeitgeberseitig zulässig ist, einem gekündigten Mitarbeiter die dienstliche IT-Nutzung zu verweigern:

Mit ungewöhnlich deutlichen Worten hat – bereits Anfang letzten Jahres – das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 26.1.2007 – Az. 71 Ca 24785/05, rechtskräftig) die Frage beantwortet, ob einem Arbeitnehmer an einem Büroarbeitsplatz ein Recht auf Zugang zur betrieblichen Internet-/E-Mail-Kommunikation zusteht oder ob die Gewährung eines solchen Onlinezugangs im freien Belieben des Arbeitgebers liegt.

Dem Urteil lag der Fall eines leitenden Mitarbeiters (Projektleiter eines großen Bauunternehmens) zugrunde, dessen Arbeitsverhältnis von der Arbeitgeberin gekündigt worden war. Das Unternehmen hatte den Gekündigten zunächst freigestellt, diese Freistellung später jedoch widerrufen. Es beschäftigte ihn dann allerdings nicht mehr in der vorherigen leitenden Position und entzog ihm zugleich mit der Projektverantwortung auch den Zugriff auf den betrieblichen Internetzugang.

Die Begründung: Es sei zu befürchten, dass der Mitarbeiter nach erfolgter Kündigung vertragswidrigen Gebrauch von betriebsinternen Kenntnissen mache, die er bei weiterer Zugriffsmöglichkeit erlangen könne. Außerdem sei für die nun ausgeübte Tätigkeit der Zugang zum Internet und auch zum unternehmensinternen Netz (Intranet) nicht zwingend erforderlich.

Der betroffene Mitarbeiter fand’s nicht witzig, zog vor Gericht – und fand bei den Berliner Arbeitsrichtern Gehör. Diese verpflichteten die Arbeitgeberin dazu, ihrem Beschäftigten auch während der Kündigungsfrist ungehinderten und uneingeschränkten Zugriff auf das Internet zu gewähren und ihm (wieder) einen E-Mail-Zugang mit eigener Adresse einzurichten.

Die Grundaussagen der Entscheidung

Der Zugriff auf Netzwerke wie Intranet und Internet gehört heutzutage zu den Arbeitsmitteln, die Grundlage einer jeden Bürotätigkeit, insbesondere in leitender Funktion, sind.

Eine Verweigerung des Zugriffs stellt deshalb eine schwerwiegende Behinderung des betroffenen Arbeitnehmers dar:

„Wie in früheren Zeiten Lineal und Bleistift, so gehören heute der eigene Rechner am Arbeitsplatz und der Zugriff auf Netzwerke wie Intranet und Internet zu den Arbeitsmitteln, die Grundlage einer Bürotätigkeit, insbesondere in leitender Funktion, sind.“

Zum zweiten stützt sich die Entscheidung der Berliner Richter darauf, dass die Zugriffsverweigerung – wie jede arbeitgeberseitige Weisung – an den Maßstäben des § 315 Abs. 3 BGB zu messen sei:

Werde sie diesen nicht gerecht, liege eine unzulässige Diskriminierung des Arbeitnehmers vor. Und vor diesem Hintergrund hätte es wirklich gewichtige Gründe geben müssen, um eine Verweigerung des Onlinezugangs
durch den Arbeitgeber erforderlich erscheinen zu lassen oder gar rechtfertigen zu können.

Das Arbeitsgericht Berlin ging jedoch davon aus, dass dies nur in einem besonders schwerwiegenden Ausnahmefall gegeben sein könne – und ein solcher habe hier nicht vorgelegen.

Die bloß abstrakte Befürchtung der Arbeitgeberin, ihr gekündigter Mitarbeiter könne Kenntnis von Geschäftsgeheimnissen erlangen und diese Kenntnis unberechtigt an Dritte weitergeben, sei jedenfalls nicht ausreichend.

Auch das Argument der Arbeitgeberin, die Onlinenutzung sei für die konkrete Tätigkeit, mit der der Gekündigte beschäftigt werde, nicht mehr erforderlich, ließen die Berliner Arbeitsrichter nicht gelten.

Angesichts der Tatsache, dass die fraglichen Arbeitsmittel – die dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung ja ohne weiteres zur Verfügung gestanden hatten – Bestandteil der grundlegenden Arbeitsbedingungen an einem zeitgemäßen Arbeitsplatz seien, komme es auf die konkreten Arbeitsinhalte, mit denen der Mitarbeiter momentan beschäftigt ist, nicht an:

„Es würde wohl auch niemand auf die Idee verfallen, einem (zumal in verantwortlicher Position tätigen) Mitarbeiter das Telefon zu sperren, weil dieser z.Zt. mit einer Arbeit beschäftigt ist, bei der er das Telefon nicht unbedingt braucht. Der Zugang zum Internet und die Möglichkeit, E-Mails zu verschicken und zu erhalten, sind heute ebenso grundlegende und selbstverständliche Kommunikationsmittel wie das Telefon. Dies muss bei der Beurteilung der Weigerung der Beklagten im Rahmen von § 315 Abs. 3 BGB berücksichtigt werden.“

Eine Argumentation, die man sich auch für den Fall merken kann, dass es in Gesprächen mit dem Arbeitgeber mal wieder um die zeitgemäße Ausstattung des Betriebsratsbüros mit Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) geht …

Zuletzt wies das Gericht noch auf einen weiteren Wertungsaspekt hin:

Selbst wenn tatsächlich davon auszugehen wäre, dass sich aus der Beschäftigung des Mitarbeiters während der Kündigungsfrist ein Risiko für die Arbeitgeberin ergebe, hätte diese es jedenfalls selbst mit verursacht, indem sie die bereits ausgesprochene Freistellung widerrufen hatte.

Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien wäre es ihr ohne weiteres möglich gewesen, den Mitarbeiter für den Lauf der Kündigungsfrist freizustellen. Wenn die Arbeitgeberin – so das Arbeitsgericht – aus welchen Gründen auch immer von diesem arbeitsvertraglich ausdrücklich vereinbarten Recht keinen Gebrauch mache, müsse sie nun einmal die Konsequenzen ihres eigenen Handelns tragen…