Das neue Urheberrecht: Tod der Privatkopie?


[Veröffentlicht bei „anwalt4you“ – Juli 2004 und „Rechtpraktisch“ – August 2004]

Auch das seit September 2003 geltende neue Urheberrechtsgesetz (UrhG) gestattet dem Nutzer eines Werkes die Anfertigung von Kopien „beliebiger Träger“ für den privaten Gebrauch. So darf etwa der Besitzer einer gekauften (oder gemieteten) Musik-CD für sich sowie für nahestehende Personen einzelne Kopien herstellen, ohne dabei rechtswidrig zu handeln.Verboten ist allerdings das Erstellen einer Kopie aus einer „offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlage“, wie es im neuformulierten § 53 UrhG jetzt heißt.

Hauptsächlich zielt diese nun ausdrücklich in das Gesetz aufgenommene Einschränkung neben den gewerblichen Händlern von illegalen Kopien in erster Linie auf die Internet-Tauschbörsen wie z.B. Kazaa oder eDonkey sowie die sog. „LAN-Parties“, auf denen in großem Umfang getauscht und kopiert wird.

Der Nutzer einer Internet-Tauschbörse etwa muß damit rechnen, dass eine von dort heruntergeladene mp3-Datei oder ein Film aus einer rechtswidrig hergestellten Vorlage stammt. Denn die dort angebotenen Dateien werden nicht zur ausschließlich privaten, sondern zur Nutzung für eine beliebige Anzahl unbekannter Dritter öffentlich bereitgestellt – und damit bereits unter Verstoß gegen § 53 UrhG angefertigt.

Die neue gesetzliche Formulierung ist jedoch mißglückt: Die Rechtmäßigkeit der Herstellung einer Vorlage läßt sich nicht immer derart eindeutig beurteilen. Dateien bieten in der Regel keine Anhaltspunkte für ihre Herkunft. Und ob ein Anbieter eine Vervielfältigung bzw. Veröffentlichung im Internet ohne Zustimmung des Urhebers vorgenommen hat, lässt sich vielleicht noch im Falle eines Download-Angebotes von Musik-CDs eines Top-Künstlers oder aktuellen Filmen großer Studios durch eine Privatperson unterstellen. Unterhalb dieser Schwelle wird es aber schon schwierig.

Hinzu kommt, daß selbst unter Juristen umstritten ist, was alles unter den Tatbestand „rechtswidrig hergestellte Vorlage“ fällt, so z.B., ob eine analoge Privatkopie von einer kopiergeschützen CD zulässig ist.

Ein weiteres – höchst praktisches – Problem stellt sich für den Verbraucher auch durch den ebenfalls neu in das UrhG aufgenommenen Schutz von Kopierschutzmechanismen, mit denen mittlerweile viele Musik-CDs ausgeliefert werden:

§ 95 UrhG verbietet jetzt ausdrücklich das Umgehen eines technischen Kopierschutzes. Außerdem ist auch das Herstellen, Verbreiten und sogar das Bewerben von „Vorrichtungen“ untersagt, mit denen der technische Kopierschutz – zu dessen Anwendung die Werkhersteller gesetzlich berechtigt sind – umgangen werden kann.

Dies betrifft z.B. so bekannte Kopier-Programme wie etwa „Clone CD“ oder „MovieJack“. Weil sich damit kopiergeschützte CDs und DVDs vervielfältigen lassen, ist das Verwenden, Vertreiben und Besitzen „zu gewerblichen Zwecken“ solcher Programme nicht mehr erlaubt.

Legale Privatkopien von kopiergeschützten CDs gibt es damit nicht mehr: Zwar bleibt die Umgehung des Kopierschutzes zum privaten Gebrauch gem. § 108 UrhG straffrei. Das ändert aber nichts daran, dass die Handlung rechtswidrig ist und zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann.

Der Verbraucher steht damit nach derzeitiger Rechtslage vor einem unauflösbaren Dilemma:
Zwar gibt es die gesetzliche Erlaubnis, eine Privatkopie anzufertigen, allerdings kann der einzelne Nutzer dieses Recht bei einem bestehenden Kopierschutz tatsächlich nicht verwirklichen, da ihm die „Selbsthilfe“ durch Umgehung eines Kopierschutzes verboten ist und ihm eine eigene rechtliche Handhabe gegen den Hersteller nicht zur Verfügung steht.

Derartige Produkte konsequent nicht zu kaufen wäre allerdings auch noch eine Möglichkeit, die Medienkonzerne für dieses Problem zu sensibilisieren…